Musik fickt dein Gehirn – im Guten
Nachts mit Kopfhörern durch verregnete Städte rennen, als würde Musik irgendwas retten können.
Tut sie manchmal auch.
Und manchmal macht sie’s schlimmer.
Aber das ist okay. Denn wenn Musik dich nicht trifft wie ein Ziegelstein durchs Fenster, was dann?
Musik ist keine Unterhaltung. Sie ist ein verdammter Trigger, ein Zeitreisemittel, ein Dealer, der deine Erinnerungen portioniert. Du hörst drei Sekunden irgendeines Songs, den du mit 17 in der dreckigsten Raucherkneipe deiner Jugend gehört hast – und zack, du bist wieder da. Die Scheiße riecht noch genauso. Das Mädchen trägt wieder diesen schiefen Lippenstift. Dein Herz ist noch genauso blöd.
Wissenschaftler sagen, Musik aktiviert das limbische System.
Das ist der Teil im Hirn, der für Emotionen und Gedächtnis zuständig ist.
Also genau das, was dich nachts wachhält und tagsüber peinlich berührt erröten lässt, wenn dein Kopfkino plötzlich das Vorspiel mit deiner Ex abspielt.
Danke, Beethoven. Danke, The Cure.
Du hörst einen Song und boom – Dopamin, Endorphine, manchmal Cortisol. Manchmal eine Träne, die einfach runterläuft, ohne dass du weißt, ob sie von Schmerz oder Schönheit kommt.
Musik ist verdammt nochmal manipulative Scheiße aber auf die gute Art. Sie kann dich aufbauen, wenn alles am Arsch oder dich zerlegen, wenn du eh schon auf der Kante hockst. Manche Songs sind wie alte Freunde, andere wie Ex-Freundinnen mit Rasierklingen im Blick. Und du lässt sie trotzdem rein weil du nicht anders kannst, weil irgendwas in dir schreit: „Ich muss das fühlen. Sonst bin ich tot.“
Und ja, die Industrie hat das längst geschnallt.
Sie ballern dir Musik unter jedes TikTok, jede Werbung, jedes Instagram-Video, damit du was fühlst. Gefühle verkaufen gut, Authentizität am Fließband. Das ist nicht Musik, das ist Geräusch mit Budget.
Aber dann gibt es da diese echten Stücke. Die, die du heimlich hörst, wenn keiner zusieht. Die, die dich nicht fragen, ob du bereit bist. Sie kommen einfach wie eine Erinnerung, die du zehn Jahre tief vergraben hast. Ein Takt, und alles steht still.
Ich erinnere mich an eine Nacht – besoffen, allein, kaputt.
Tom Waits lief im Hintergrund. „Martha.“
Und ich saß da und hab gedacht: Das ist es. Das ist das Leben, kein Coaching-Programm, kein Yoga-Kurs.
Nur ein Lied, ein bisschen Schmerz – und plötzlich ergibt alles einen kranken, verdrehten Sinn. Musik bringt uns zurück zu dem, was wir sind, wenn keiner zusieht. Sie holt unsere inneren Leichen aus dem Keller. Sie wäscht sie nicht – sie spielt ihnen nur ein Lied und das reicht oft, damit wir sie nicht vergessen.
Denn vergessen heißt, sich selbst amputieren.
Und dann gibt’s die andere Seite: Die euphorischen Dinger. Songs, die dich aus der Depression ziehen wie ein brutaler Schlag ins Gesicht. Du schreist mit, du tanzt wie ein Irrer, du bist plötzlich mehr am Leben, als du es dir je erlaubt hast. Und das ist okay, das ist verdammt schön. Weil Musik uns zeigt, dass wir noch fühlen können – trotz Burnout, Trotzphase, Trotz allem.
Psychologen nennen das „emotionsregulierende Wirkung“.
Ich nenn das: Überleben. Denn wenn du nichts mehr fühlst, weil alles taub ist – Musik bleibt.
Sie dringt durch. Immer. Ein Basslauf kann mehr heilen als drei Jahre Therapie auf Kassenbasis.
Eine Zeile aus einem verdammten Indie-Song kann dich retten, während du mitten im Supermarkt fast zusammenklappst. Das ist kein Zufall, das ist Magie. Die letzte erlaubte Form davon in dieser durchgeplanten, zynischen Welt.
Also ja, Musik beeinflusst deine Stimmung, deine Erinnerungen, deine verdammte Wahrnehmung der Realität. Aber das ist keine Schwäche. Das ist der menschlichste Teil an dir. Wenn du auf ein Lied reagierst, wie andere auf Drogen – dann bist du nicht kaputt. Du bist offen, du bist durchlässig und verdammt nochmal: Du bist echt.